Der Bundesrat als Partei

Dem Bund unterlaufen bekanntlich immer wieder Fehler im Abstimmungsbüchlein. Sind es nur Fehler? Die Stellungnahme zur Personenfreizügigkeit im neuesten Büchlein ist etwas zwischen Skandal und Witz. Probleme mit der Personenfreizügigkeit werden vollständig ignoriert: kein Wort zu den Problemen mit dem schnellen Bevölkerungswachstum. Die meisten Aussagen sind entweder falsch, einseitig oder missverständlich. Drei Beispiele:

«Mit dem Wegfall der Bilateralen I würde die Schweizer Wirtschaft den direkten Zugang zum EU-Markt verlieren.» Falsch. Der Schweizer EU-Marktzugang beruht weitgehend auf dem von der Personenfreizügigkeit völlig unabhängigen Freihandelsabkommen von 1972. Dagegen sind die Bilateralen I Peanuts.

«Bei einem Wegfall der Bilateralen I würde (…) die wirtschaftliche Leistung der Schweiz in weniger als zwanzig Jahren 5 bis 7 Prozent tiefer liegen.» Einseitig. Ohne Bilaterale I sinkt das Gesamtwachstum fast nur, weil das Bevölkerungswachstum sinkt. Das Einkommen pro Arbeitskraft würde gemäss der vom Bund angesprochenen Studie (Ecoplan 2015) bis 2035 mit Bilateralen I total um 9,8 Prozent wachsen, ohne Bilaterale I hingegen um 9,1 Prozent. Das totale Minderwachstum über zwanzig Jahre wäre 0,7 Prozent, also 0,035 Prozent jährlich.

«Auch Schweizerinnen und Schweizer nutzen die Personenfreizügigkeit: Laut Angaben des Bundesamts für Statistik lebte Ende 2019 rund eine halbe Million in der EU.» Irreführend. Von diesen Personen haben bloss 140 000 nur einen Schweizer Pass. Die anderen sind Doppelbürger – wohl zumeist EU-Bürger –, die hier eingebürgert oder als Doppelbürger geboren wurden und danach zurückgewandert sind. Hingegen leben in der Schweiz über 1,4 Millionen EU-Bürger ohne Schweizer Pass. Das Verhältnis von EU-Bürgern in der Schweiz zu Schweizern in der EU ist also 10:1.

Manche Bundesräte und Bundesämter verstehen ihre Aufgabe offensichtlich parteipolitisch. Doch für das Wohl der Schweiz und ihrer Bürgerinnen und Bürger wäre es von höchster Bedeutung, dass Bundesrat und Verwaltung nicht einseitig informieren und nicht die Augen vor der Realität verschliessen. Trotzdem droht es zum Standard zu werden. So steht im Abstimmungsbüchlein: «Weil die Schweizer Bevölkerung altert (…), sind die Schweizer Unternehmen auch künftig auf Arbeitskräfte aus der EU angewiesen.» Das ignoriert, dass es bei dieser Vorlage nicht um Zuwanderung versus keine Zuwanderung geht, sondern um freie versus klug gelenkte Zuwanderung. Noch problematischer ist, dass sich die gleiche Regierung sonst gegen die Erhöhung des Rentenalters stemmt und behauptet, für die Älteren fehlten Arbeitsplätze. Leider trifft der Realitätsverlust auch viele andere Bereiche: Klima-, Energie-, Verkehrs-, Gesundheitspolitik. Gerade auch angesichts der riesigen Schäden durch die Corona-Krise ist es höchste Zeit, dass wieder mehr Realitätssinn in die Politik einkehrt. Dafür müssen Bundesrat und Verwaltung wieder eine neutralere und sachlichere Rolle spielen.

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über den Autor
Reiner Eichenberger
Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik, Universität Freiburg
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