Strategisch denken, selbstbewusst auftreten: Unabhängigkeit hat Zukunft!

Entgegen den Behauptungen der Gegner wären Nachverhandlungen über das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA) bei Annahme der Begrenzungsinitiative nicht nur möglich, sondern auch im Interesse der EU.

Seit Jahren fehlt eine sachliche Diskussion über die Freizügigkeit und ihre Auswirkungen. Die meisten Prognosen zum FZA erwiesen sich als falsch. Die Zuwanderung aus dem EU-Raum ist viel grösser als erwartet. Zudem sind es ganz andere Leute, als man gesagt hat: 80 Prozent der Zuwanderer kommen nicht in Mangelberufe. Zudem wächst der öffentliche Sektor dreimal so schnell wie die Zuwanderung. Wenn wir so weitermachen, steuern wir geradewegs auf eine 10-Millionen-Schweiz zu.

Wir müssen die Zuwanderung endlich wieder eigenständig steuern, damit die Situation nicht vollends aus dem Ruder läuft. Wir müssen der Wirtschaft ermöglichen, diejenigen Arbeitskräfte zu rekrutieren, die benötigt werden. Sodann wollen wir ein Wirtschaftswachstum, von dem jeder Einzelne etwas hat. Wenn die Wirtschaft wächst, aber der Einzelne nicht davon profitiert, nützt das niemandem.

Vor diesem Hintergrund hat die SVP die Begrenzungsinitiative lanciert. Wird die Initiative angenommen, hat der Bundesrat ein Jahr Zeit, die Beendigung oder Ausser-Kraft-Setzung der Freizügigkeit mit Brüssel zu verhandeln. Sollte sich die EU nicht gesprächsbereit zeigen, muss der Bundesrat das Freizügigkeitsabkommen innert 30 Tagen kündigen.

FZA sieht Nachverhandlungen vor

So weit dürfte es allerdings nicht kommen. Dies aus zwei Gründen: Erstens sind Nachverhandlungen Teil des Personenfreizügigkeitsabkommens. Im Artikel 18 heisst es wörtlich: „Wünscht eine Vertragspartei eine Revision dieses Abkommens, so unterbreitet sie dem Gemischten Ausschuss hierzu einen Vorschlag. Die Änderung dieses Abkommens tritt nach Abschluss der jeweiligen internen Verfahren in Kraft; hiervon ausgenommen sind Änderungen der Anhänge II und III, die vom Gemischten Ausschuss beschlossen werden und sofort nach dessen Beschluss in Kraft treten können. “

Zweitens ist die Personenfreizügigkeit Bestandteil der sogenannten Bilateralen I, die seit 2002 in Kraft sind. Sollte eines dieser sieben Abkommen gekündet werden, wären die sechs übrigen laut der „Guillotine-Klausel“ ebenfalls hinfällig. Doch nur schon das Landverkehrsabkommen, das der EU den internationalen Warenverkehr auf einer der wichtigsten Strassenachsen Europas – die durch die Schweiz führt – erlaubt, würde eine Kündigung aller Bilateralen I für die EU zum politischen Himmelfahrtskommando machen.

Auch bezüglich des Forschungs- oder des Luftverkehrsabkommens hat die EU relevante Interessen. Oder auch im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens: Es sind EU-Unternehmen, welche Aufträge in der Schweiz ergattern. Schweizer Betriebe haben eine schwierigere Situation, weil sie oft teurer sind als die Konkurrenz aus dem EU-Raum. Dies alles zeigt: Es ist naiv zu glauben, die EU habe kein Interesse an guten Beziehungen zur Schweiz.

EU ist politisch angezählt

Die wirtschaftlich und politische angezählte EU hat ein grosses Interesse an der Fortführung von guten Beziehungen mit der Schweiz, ihrem zweitwichtigsten Handelspartner. Der Austritt Grossbritanniens, dessen Volkswirtschaft so stark ist wie die 19 kleinsten EU-Mitglieder zusammen, bereitet nachhaltige Probleme.

Die Angst vor Gesprächsverweigerung seitens der EU und vor der Guillotine-Klausel ist unbegründet. Es gibt keinen Vertrag, von dem nur die Schweiz profitiert, im Gegenteil: Bei den meisten Dossiers steht die EU als Gewinnerin da, was bedeutet, dass sie viel zu verlieren hat. Der Auftrag an den Bundesrat ist darum klar: Er muss der EU gegenüber diese Positionen deutlich machen. Gelingt dies, darf er mit Verhandlungsbereitschaft und Zugeständnissen seitens der EU rechnen.

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Gregor Rutz
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