Die Personenfreizügigkeit – eine Fehlkonstruktion

Das Ziel der Beschränkungsinitiative ist einfach: Die SVP will die Personenfreizügigkeit stoppen – entweder, indem diese ausser Kraft gesetzt wird oder durch Kündigung. Selbstverständlich werden die anderen Parteien und die Wirtschaftsverbände jetzt von morgens bis abends jammern: «Ohne bilaterale Verträge mit der EU, ohne Personenfreizügigkeit bricht unsere Wirtschaft zusammen.»

Wir hören das nicht zum ersten Mal. Schon 1992 im EWR-Abstimmungskampf hat es genau gleich getönt. Man tut jetzt so, als stünden bei einer allfälligen Kündigung der Personenfreizügigkeit sämtliche bilateralen Verträge mit der EU auf dem Spiel. In Wirklichkeit wären im absolut schlechtesten Fall neben der Personenfreizügigkeit nur gerade sechs Verträge von weit über hundert bilateralen Verträgen mit der EU betroffen.

Es wird ständig behauptet, dass wir unseren Wohlstand der Personenfreizügigkeit verdanken. Hier die Fakten: Von 1945 bis und mit 2001 – also vor Einführung der Bilateralen I – betrug das jährliche Wachstum des BIP pro Kopf in der Schweiz durchschnittlich 2%. Notabene ohne Personenfreizügigkeitsabkommen. Seit Einführung der vollen Personenfreizügigkeit Mitte 2007 hat sich dieses Wachstum pro Kopf nicht positiv, sondern bestenfalls flach entwickelt.

Tatsache ist auch: Der prozentuale Anteil der Schweizer Exporte in den EU-Raum ist seit Einführung der Bilateralen I und noch deutlicher seit Einführung der vollen Personenfreizügigkeit markant zurückgegangen, nämlich von 64,3% im Jahr 2001 auf 48,3 % im Jahr 2016, wenn man den Brexit mitberücksichtigt.

Unsere heutigen Exportwachstumsmärkte liegen in Asien und in Amerika. Mit keinem dieser Länder existieren Vereinbarungen, die mit den Bilateralen I vergleichbar wären, geschweige denn ein Abkommen betreffend Personenfreizügigkeit. Ebenfalls heisst es, die Bilateralen I gewährten uns den Marktzutritt in die EU. In Wirklichkeit garantiert schon das Freihandelsabkommen von 1972 den gegenseitigen Marktzutritt zwischen der EU und der Schweiz. Aus-serdem ist die Schweiz ebenso wie die EU Mitglied der Welthandelsorganisation WTO. Diese verbietet diskriminierende Massnahmen im gegenseitigen Handel. Somit ist unser EU-Marktzutritt dank Freihandelsabkommen und WTO zu weit über 90% geregelt und garantiert.

Seltsam blind erscheinen die Wirtschaftsverbände auch gegenüber den Kosten der «flankierenden Massnahmen» zur Personenfreizügigkeit. Dabei sind es mittlerweile unglaubliche Summen, die unseren Werkplatz mit ständig weiter ausgebauten Gesamtarbeitsverträgen, flächendeckenden Mindestlöhnen, bürokratischen Kontrollen oder durch den absurden «Inländervorrang light» verteuern. Schon heute dürften die Kosten der flankierenden Massnahmen in die Multi-Milliarden gehen.

Keiner der zur Diskussion stehenden Verträge ist für die Schweiz überlebenswichtig.

  • Das öffentliche Beschaffungswesen liegt im Interesse der EU, denn Schweizer Firmen sind bei EU-Ausschreibungen aufgrund der hohen Lohnkosten meistens nicht konkurrenzfähig.
  • Das Landverkehrsabkommen mit kurzer Nord-Süd-Achse, viel zu billigem Transitpreis und Zulassung der 40-Tönner ist zum Vorteil der EU ausgehandelt worden. Es ist so gut wie undenkbar, dass Deutschland, Italien, Österreich, Frankreich und die Benelux-Länder zulassen würden, dass dieses Abkommen dahinfällt.
  • Bei Kündigung des Flugverkehrsabkommens ist kein Zusammenbruch des Flugverkehrs zu befürchten, da sehr viele Fluggesellschaften die Schweiz gern anfliegen und die früheren internationalen Abkommen immer noch gelten. Und nicht zu vergessen ist selbstverständlich die Lufthansa mit ihrer profitabelsten Gesellschaft in der Schweiz.
  • Ein Wegfall des Landwirtschaftsabkommens mit der EU hätte keine spürbaren Auswirkungen auf die Schweiz.
  • Auch die EU-Forschungsprogramme – Stichwort Horizon 2020 – werden aus Sicht der Schweiz völlig überschätzt. Bei den meisten wichtigen Forschungsprojekten haben Schweizer Forscher in diesen Programmen den Lead – auch auf Grund der Innovationskraft der Schweiz. Auf jeden Fall ist Horizon 2020 die Nachteile der Personenfreizügigkeit nicht wert. Im Übrigen sind die immer wieder erwähnten Top-Universitäten Oxford und Cambridge nach Vollzug des Brexits konsequenterweise nicht mehr Teil des Horizon 2020-Programms.
  • Die einzigen von Economiesuisse explizit genannten Kostenersparnisse befinden sich innerhalb der Vereinbarung über den Abbau der technischen Handelshemmnisse und entsprechen etwa den zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft zugunsten der von Economiesuisse unterstützten SRG-Mediensteuer.

Warum weigern sich die grossen Wirtschaftsverbände hartnäckig, all diese Nachteile zur Kenntnis zu nehmen? Eine Erklärung liegt darin, dass diese von den grossen Konzernen dominiert werden. Deren Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen bestehen heute mehrheitlich aus ausländischen Managern. Diese haben – und dafür habe ich durchaus Verständnis – keine grosse Ahnung, wann und woher wir unseren einmaligen Wohlstand und unseren Top-Brand «Swiss Made» aufgebaut haben.

Sie wissen kaum, dass wir dies unseren Staatssäulen Unabhängigkeit, direkte Demokratie, Neutralität und Föderalismus verdanken sowie den Schweizer Tugenden wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Präzision, Innovation und unserem jahrhundertalten Bildungssystem. Jetzt behaupten sie, unseren Wohlstand zu bewahren, indem sie dessen Grundlagen preisgeben!

Meine Damen und Herren, die Masseneinwanderung überlastet uns, kostet uns, stresst uns und nimmt uns ein grosses Stück Lebensqualität. Hören wir doch auf, die Bilateralen I heilig zu sprechen. Sie sind im Interesse der EU, darum die Knebelguillotine auf Druck von Brüssel. Die Vorteile für die Schweiz sind ganz sicher kleiner als die Nachteile der massenhaften Zuwanderung.

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